Reframing – du gestaltest deine Realität

“Nun sieh doch nicht alles immer so negativ!” Hochexplosives Gefahrengut. Denn dass jemand auf diese Ansage ein welpensanftes “Oh, du hast ja so recht. Das Leben ist wunderschön” raus flötet, ist wohl eher selten. Natürlich, weil man es wahrscheinlich schon eine Millionen Mal gehört hat, es eigentlich ja auch selber weiß und sich ertappt fühlt, aber doch sicher auch, weil DIE SITUATION DOCH NUNMAL EINFACH NEGATIV IST!.

“Manchmal ist es wirklich furchtbar mit Anna. Das Glas ist bei ihr immer halb leer.” (Ich musste zu diesem Thema die Glasnummer irgendwo unterbringen. Weil das aber so dermaßen abgeschmackt, aber leider nunmal ein fantastisches Beispiel ist, lasse ich es Frieda sagen, die ihrem Mann von ihrer Freundin erzählt.) 

Nun könnte man sagen: Anna ist halt Pessimistin und Frieda eben nicht. Allerdings möchte ich ungern mit diesen Begriffen durch die Gegend schleudern, vor allem, weil ich der Überzeugung bin, dass man vor allem erstmal NUR ein Mensch IST. Ja, Anna kann vielleicht ihrem Leben gerade nicht viel Positives, Schönes, Erhellendes abgewinnen. Aber das Tolle ist ja: wir sind nicht in Stein gemeißelt. Nicht unsere Gedanken, Einstellungen, Gefühle, Wissensstand, noch nicht mal unsere Erinnerungen. Wir leben. Und damit gestalten wir. Immer. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde. Wir gestalten unser Leben. 
Und wenn Anna richtig Bock darauf hat, kann auch sie ihrem Leben einen anderen Rahmen geben.

Reframing ist eine Methode, die in verschiedenen Formen der Psychotherapie, Beratung, Coaching angewendet wird. Es geht – vereinfacht – darum, Situationen, Gedanken aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Den Situationen einen anderen Rahmen zu geben und damit eine andere Bedeutung.
Es geht also um etwas, was wir alle kennen und können und im Alltag ständig erleben, es trägt halt nur jetzt einen fancy Namen. Ich nutze ihn hier auch nur, weil ich das Bild so schön und eingängig finde. Denn sicher hast du schonmal die Erfahrung gemacht, welchen Einfluss ein (bestimmter) Rahmen auf ein Bild hat. Schwarzer, schwerer Barockrahmen vs. pinker Kinderrahmen mit lustigen Einhörnern und Zauberstäben.

 

Du gestaltest dein Leben. Du entscheidest, aus welchem Blickwinkel, durch welche Augen, in welchem Rahmen du Dinge betrachtest.

 

Achtung: Die Think Positive Keule winkt hier ziemlich penetrant. Darum geht es aber gar nicht. Finde ich zumindest. Denn natürlich ist es generell eine ziemlich gute Idee, sich mit Dingen, Gedanken, Gefühlen, Ansichten zu umgeben, die dir gut tun. Doch reines Schönreden hilft dabei eben nicht. Und ist by the way auch wahnsinnig nervig. Wenn es regnet und dir jemand sagt, die Sonne scheint, ist es schlicht NICHT WAHR. Dass es aber eigentlich gar nicht schlimm ist, wenn es regnet, weil man dann doch endlich mal in Ruhe den ganzen Tag kuscheln kann

, klingt doch gar nicht so schlecht. Oder?!

Es geht darum, zu verstehen, dass wir die Chance haben, mitzugestalten.

Und dass wir unsere eingefahrenen Gedankengänge ruhig mal in Frage stellen dürfen. Wenn es uns nicht gefällt, können wir ja wieder zurück. Weil: besonders gewissenhafter Memory-Schaum.
Denn nicht alles, was wir denken, ist auch wahr. Sogar, um ehrlich zu sein, nun, gar nicht mal so viel.

Eine kleine persönliche Geschichte (wer entdeckt, in welchem Artikel ich diese bereits kurz erzählt habe, bekommt einen Preis.) Ich wurde jahrelang von einer großartigen aber sehr strengen und fordernden Ballettlehrerin trainiert. Ich gehörte zu den Besten und vor allem Ambitioniertesten, weil ich diese Leidenschaft eben zu meinem Beruf machen wollte. Doch Lob oder gar Anerkennung für meine Leistung gab es eher so semi oft. Na gut. Eigentlich nie. Ich hatte immer das Gefühl alle anderen bekämen deutlich mehr Aufmerksamkeit, es wurde mehr Zeit für ihre Proben angesetzt, … Nun, du kannst dir sicher denken, worauf ich hinaus will. Auf meinem Rahmen stand: Ich kann nichts, ich bin nichts. Auf ihrem: Marlene ist super. Kann alles so weitergehen. Die anderen müssen mehr üben.

Ein Reframing Klassiker. Der Chef schaut viel mehr bei meinen Kollegen vorbei. Sieht aus wie: er mag sie mehr. Es ist: er muss mehr kontrollieren. Bei mir läufts ja. 

So kann man Situationen umdeuten oder zumindest die Möglichkeit sehen, dass es ja auch ganz anders sein könnte, als es sich für mich darstellt.

Es begegnen uns immer wieder Dinge in unserem Leben, die wir nicht ändern können. Viele, viele kleine im Alltag, einige große hoffentlich nicht so oft. Und da wir alle auch keine Kinder mehr sind – wenn doch, hi, toll, dass du da bist – laufen eben ununterbrochen perfekt einstudierte Programme in unserem Gehirn ab. Und so reagieren wir eben auch auf bestimmte Dinge in gewohnter Art. Wir gucken eben durch unseren Rahmen. Wenn die (Nachbars)Kinder also nun mit ihren Gummistiefeln fröhlich durchs Wohnzimmer latschen, ist es normal, wenn deine Reaktion jetzt, sagen wir mal, eher zum schwarzen Barockrahmen passt. DAS IST OK. Erstmal. Dann liegt es aber an dir. Du gestaltest! Willst du an diesem Rahmen aka. Stimmung festhalten oder schafft der Gedanke: wie schön, dass die Kinder draußen Spaß hatten euch allen nicht viel mehr Leichtigkeit und Freude? (Mal ganz abgesehen von Erziehungsmethoden etc.)

 

Ändere mal die Perspektive.

 

Betrachte es doch als ein neues Spiel. Alleine, mit dem Partner, mit den Kindern, … Gebt den Dingen einen anderen Rahmen und schaut, wie sich das Bild verändert.

Sei kreativ. Fordere deine Gedanken zu einer Partie Mensch ärgere dich nicht raus.

Wir fixieren uns viel zu oft auf das Problem. Und bleiben darin stecken. Und halten es für wahr. 
Wenn wir das wahrnehmen können, ist es nur noch ein kleiner Weg zur Lösung.

Und natürlich gibt es Situationen wo ein „Ach komm, denk mal positiv“ ein wirklicher Schlag ins Gesicht und vollkommen unangebracht ist. Denn manche Bilder bleiben eben düster, auch wenn dich ringsherum ein Einhorn angrinst.
Dennoch bleibst du Gestalter/in deiner Realität. Und manchmal reicht es schon, nur das wahrzunehmen. Auch wenn du noch keine Kraft hast, etwas zu ändern.

Es geht vor allem auch um vernichtende Gedanken, die dich selbst betreffen. 
Ich kann so schlecht an einer Sache dran bleiben. Gut. Ok. Das kann man ändern, wenn man will. Du könntest dir aber auch erstmal einen anderen Rahmen geben. So… für die Stimmung. Und dann mit positivem Schwung das Bild ändern, wenn gewünscht. Vielleicht bist du nämlich ganz super darin, dich schnell auf neue Gegebenheiten einzustellen, weil du flexibel in viele verschiedene Richtungen denken kannst. Kreativ… auf Zack…

Auch eine kleine schöne Übung dazu:
Ich kann das nicht vs. Ich kann das noch nicht. Zumindest solange, bis dir einfällt, was du denn stattdessen kannst.

Löse dich von festgefahrenen Gedankengängen.
Hab Spaß an Veränderung.
Komm in Bewegung. Sei neugierig.
Lass dich mal wieder überraschen!

Deine Marlene